Braunschweig,LBA
Man kann annehmen, daß eine große Zahl von Flugzeugführern die Sicherheitsempfehlungen über das Mitführer eines ausreichenden Kraftstoffvorrates (einschließlich der Menge zum Erreichen eines notwendig gewordenen Ausweichplatzes) bei Überlandflügen nur mit dem Begriff Instrumentenflugwetterbedingungen verbindet.
Aber wenn man erst einmal in der unangenehmen Lage war, bei gutem, sonnigem Wetter auf einem Landeplatz nicht landen zu können, weil ein zu starker Seitenwind auf der schmalen S/L-Bahn weht, wird man auch für solche Flüge einen entsprechenden Kraftstoffvorrat einplanen, um einen Ausweichplatz sicher zu erreichen.
Im Frühjahr und im Herbst kommt es in unseren Breiten öfter zu überdurchschnittlichen Windgeschwindigkeiten mit Windrichtungsänderungen und starken Böen, deren Richtung u.U. kurzfristig erheblich von der S/L-Bahnrichtung abweichen kann. Es ist daher sehr wichtig zu wissen, bis zu welchen Grenzwerten man sein Flugzeug unter diesen Bedingungen noch sicher an den Boden bringen kann oder ob man auf die Landung verzichten sollte.
Welche Kräfte auf das Flugzeug einwirken, zeigt Abb. 1. Wir nehmen an, daß der Wind von links kommt. Einmal wird der Wind unter dem luvseitigen (linken) Tragflügel angreifen und bei Nichtbeachtung eine Drehung um die Längsachse bewirken. Der Wind trifft weiterhin auf Rumpf und Seitenleitwerk und bewirkt eine Drehung um die Hochachse nach links. Die dritte Einwirkung auf das Flugzeug rührt vom Kreiselmoment des Propellers her, welches sich (bei einem Rechtsläufer) entweder verstärkend (Wind kommt von links) oder abschwächend (Wind kommt von rechts) bemerkbar macht.
Als Gegenmaßnahme (Abb. 2) ist, um die Drehung um die Längsachse zu vermeiden, mit Querruder links (Luvseite links) und mit dem Seitenruder nach rechts (Leeseite) zu steuern, damit die Drehung um die Hochachse (Ausgleich der Windfahnenwirkung) gestoppt werden kann. Wenn Sie die entsprechenden, auf die Windwirkung abgestimmten Ruderausschläge beherrschen, dürften zulässige Seitenwindstarts und -landungen keine zu großen Schwierigkeiten bereiten.
Bei starkem Seitenwind ist es durchaus möglich, mit luvseitig ausgeschlagenem Querruder die Landung und auch teilweise den Start nur mit dem luvseitigen Fahrwerk durchzuführen. Es erscheint eigenartig, ist aber ein durchaus normales, sicheres Verfahren, wenn das Querruder betätigt ist und das Flugzeug eine entsprechende Querneigung angenommen hat. Man sollte sich aber hüten, beim Start das Flugzeug mit minimaler Fluggeschwindigkeit ruckartig vom Boden wegzureißen. Vielmehr sollte es so lange am Boden gehalten werden, bis alle Ruder ihre volle Wirksamkeit erreicht haben. Danach zügig wegsteigen, um ein nochmaliges Aufsetzen auf der S/L-Bahn zu vermeiden.
Manche Flugzeugführer neigen dazu, bei Seitenwindlandungen mit zu viel Fahrt aufzusetzen, um, wie sie erklären, noch über die volle Steuerbarkeit zu verfügen. Tatsache ist aber, daß je größer die Seitenwindkomponente, um so kleiner die Gegenwindkomponente ist. Ein 90°-Seitenwind, also genau senkrecht auf die S/L-Bahn, entspricht 0 Kt Gegenwind! Daran läßt sich nicht deuteln. Wenn man also die vorgeschriebene Anflug- und Aufsetzgeschwindigkeit einhält, gibt es keine Probleme mehr. Unfälle durch Zuweitkommen bei Seitenwindlandungen sind meist auf diese falsche Überfahrt zurückzuführen.
Der Betrieb eines jeden Flugzeuges ist bis zu einer gewissen Seitenwindgröße zugelassen. Diese ist vor allem bestimmt durch die Ruderwirksamkeit. Ebenso sind dem Gerät durch Gegenwind Grenzen gesetzt, damit es beim Rollen noch sicher beherrscht werden kann.
Woher ist zu erfahren, bis zu welcher Windgeschwindigkeit das Luftfahrzeug betrieben werden kann? Diese Angaben sollte man im Flughandbuch, am Instrumentenbrett oder in der Kabine finden. Sie müssen vorhanden sein, da der Hersteller die entsprechenden Berechnungen und Versuchsergebnisse bei der Musterzulassung vorlegen mußte. Die Angaben über den zulässigen Seitenwind können in folgenden Formen vorliegen:
als einfache Skizze, aus welcher der Zusammenhang zwischen Windeinfallwinkel und höchstzulässiger Windgeschwindigkeit zu entnehmen ist.
als Tabelle, die für jeden möglichen Windeinfallwinkel die größtmögliche Windgeschwindigkeit festlegt. Diese wichtigen Daten sollten Sie für jedes von Ihnen betriebene Luftfahrzeug genau kennen. Hat man beides nicht, so kann man sich mit folgender Faustregel zur Festlegung der Seitengeschwindigkeit helfen:
Die Grenze für 90° Seitenwind liegt bei etwa 20 % der Überziehgeschwindigkeit, für 45° bei ca. 30 %,
als Grenze für den Gegenwind kann man etwa 60 % der Überziehgeschwindigkeit zugrunde legen.
Man muß zwei Arten von Seitenwind berücksichtigen, die für Luftfahrzeuge bis 2000 kg Höchstgewicht nachteilig sind. Erstens den in Richtung und Stärke gleichbleibenden Seitenwind auf die S/L-Bahn, dem noch relativ einfach zu begegnen ist. Zweitens den böigen Seitenwind, der durch Bäume, Bauwerke und sonstige Hindernisse neben der S/L-Bahn hervorgerufen wird.
Diese letztere Situation erfordert eine schnelle Reaktion des Flugzeugführers, um durch Gegensteuern das Flugzeug über der S/L-Bahn zu halten und nicht versetzt zu werden. Unter diesen Umständen sind gekreuzte Ruder (Querruder entgegen Seitenruder, Sliplage) die einzige Möglichkeit, den Seitenwind zu beherrschen. Dieses Verfahren, das zuerst unüblich erscheint, sollte aber solange geübt werden, bis es automatisch angewendet werden kann.
Wenn der Wind böig ist, muß man eine Versetzung in alle Richtungen erwarten, je näher man dem Boden kommt. Beobachten Sie das Verhalten von Bäumen, Büschen und sonstigem Bodenbewuchs sowie evtl. von Rauchfahnen, d.h., alles was sich durch Wind bewegt, und nicht nur den Windsack oder Windrichtungsanzeiger. Eine Reihe von Bäumen oder Bauwerke können teilweise die Windrichtung über der Bahn völlig umkehren (Abb. 4).
Auch sollte man die Bodenreibung berücksichtigen, durch welche die Windgeschwindigkeit geringer wird. Diese schnell wechselnden Windverhältnisse erfordern ein sofortiges gut ausgewogenes Reagieren mit der Steuerung. Der Flugzeugführer der gelernt hat, das Querruder zur seitlichen Bewegungskontrolle und das Seitenruder zur Ausrichtung auf die Landebahnrichtung zu verwenden, wird von diesen Windverhältnissen nicht besonders überrascht werden.
Wenn der Seitenwind besonders böig ist, sollte man allerdings ein wenig schneller anfliegen als bei Windstille oder gleichmäßigem Wind. Als Faustregel wählt man einen Geschwindigkeitszuschlag, der etwa 50 % der in Böen aufgetretenen Windgeschwindigkeitsdinerenz beträgt. Wenn der Wind z.B. mit 25 Kt, in Böen 35 Kt angegeben wird, ergibt sich als Difterenz 35-25 Kt = 10 Kt, wovon 50 % =5 Kt sind. In diesem Falle wäre somit die vorgeschriebene Anfluggeschwindigkeit um 5 Kt zu erhöhen. Während einer böigen Seitenwindlandung haben Sie keine Zeit mehr, diese Werte mittels der Faustregel auszurechnen, berechnen Sie deshalb die erforderliche Landegeschwindigkeit rechtzeitig! Nehmen wir an, Sie kennen die Grenzen für Gegenwind sowie für 45° und 90° Seitenwind, aber die von der Bodenstelle angegebenen Werte liegen dazwischen. Was tun Sie? Stellen Sie den Windeinfallwinkel zwischen Landebahnrichtung und Windrichtung sowie die Windgeschwindigkeit einander gegenüber und entscheiden mit Hilfe einer einfachen Seitenwindkomponentenkarte (Abb. 3) oder der Windseite des Kursrechners, ob Sie unter den gegebenen Verhältnissen landen können oder nicht.
Folgendes Beispiel: Landerichtung 270°, Wind 300/40 Kt. Der Windeinfallwinkel beträgt 30° (Punkt A). Markieren Sie auf der Skizze (Abb. 3) den Punkt, wo der 40ste Knotenkreis 30° schneidet (Punkt B). Eine Waagerechte durch diesen Punkt ergibt die Gegenwindkomponente von 35 Kt (Punkt C), eine Senkrechte die Seitenwindkomponente von 20 Kt (Punkt D). Liegt einer der beiden Windwerte außerhalb der zulässigen Betriebsgrenzen Ihres Flugzeuges, dann dürfen Sie gar nicht erst starten. Wenn Sie sich im Anflug befinden, müssen Sie einen Ausweichflugplatz anfliegen, dessen Windverhältnisse den Betriebsgrenzen Ihres Flugzeuges entsprechen. Seiten- und Gegenwind sind für den Startvorgang genau so wichtig wie für die Landung, obgleich sie offensichtlich früher oder später bedauerlicherweise vernachlässigt werden. Manche Flugzeugführer versuchen dem Einfluß des Seitenwindes dadurch zu entgehen, daß sie dicht neben der Leekante der S/L-Bahn aufsetzen und dann das Flugzeug gegen den Wind ausrollen lassen. Dieses Verfahren ist aber nur möglich, wenn eine breite Bahn oder genügend Platz zur Verfügung steht. Richtungsänderungen nach dem Aufsetzen sind aber viel problematischer als die Gefahr, daß der luvseitige Tragflügel des Flugzeuges angehoben wird. Setzt man hingegen neben der Luvkante auf, so kann der Wind aufgrund der Wetterfahnenwirkung des Rumpfendes das Flugzeug ebenfalls zum Ausbrechen bringen.
Wenn man darüber hinaus berücksichtigt, welche Folgen, bedingt durch eventuell ungeeignetes nasses Gelände neben der Bahn, beim Abkommen auftreten können, kann man nur dringend dazu raten, genau über der Mittellinie der Bahn anzufliegen, aufzusetzen und dem böigen Seitenwind in der oben beschriebenen Weise zu begegnen.
Wenn man sich auf eine Landung mit starkem Seitenwind einstellen muß, ist es sehr vorteilhaft, einen längeren Endanflug vorzusehen, damit man mehr Zeit zur Verfügung hat, das Flugzeug so auszusteuern, daß es nicht mehr versetzt wird.
Man soll folgendes beachten: Je langsamer man fliegt, um so größer müssen die Ruderausschläge gewählt werden. Wenn man schon im Anflug merkt, daß man das Flugzeug mit fast vollen Ruderausschlägen nicht in Bahnrichtung halten kann, sind die Aussichten auf eine glatte Landung sehr gering. Hier sollte man bereits den Anflug abbrechen und eine Ausweichmöglichkeit vorziehen. Unfälle bei Seitenwind ergeben meistens größere Sachschäden, wobei auch Personenverletzungen nicht ausgeschlossen werden können.
Aber warum soll das Flugzeug ein neues Fahrwerk, einen neuen Propeller und der Motor eine Untersuchung wegen Gewaltstopp erhalten?
Ist es statt dessen nicht empfehlenswerter und absolut nicht ehrenrührig, wenn man ab und zu Seitenwindlandungen mit einem Lehrer übt?
Diese Empfehlungen sollten Sie vor allem in der Zeit der Frühjahrs- und Herbststürme beachten!
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